Die Geschichte der Naturfarben

DIE ERSTEN NATURFARBEN

Seit Jahrtausenden nutzen Menschen aus natürlichen Rohstoffen gewonnene Farben. Der älteste Beleg für die Verwendung von Ockerfarben wurde 2018 in einer Höhle in Kapstadt (Südafrika) entdeckt: Es handelt sich um ein Steinfragment mit abstraktem Ocker-Muster. Als ältester Fund prähistorischer Kunst gilt eine 45.000 Jahre alte Höhlenmalerei aus Sulawesi (Indonesien), welche ein Warzenschwein zeigt. (Quelle)

Seither verwenden Menschen aus Erde, Mineralien und Pflanzen gewonnene Farbstoffe. Diese wurden unter anderem für Körperbemalungen, Höhlenmalereien und das Verzieren von Keramiken sowie Grabbeigaben genutzt.

Eisenoxyd - Oxydrot Töne


FÄRBERPFLANZEN IN DER ANTIKE

Während der Antike gewannen Pflanzfarbstoffe an großer Bedeutung. Die Nutzung von Pflanzen zur Kolorierung von Textilien spielte zu dieser Zeit eine so wichtige Rolle, dass bereits zu diesem Zeitpunkt gezielt sogenannte Färberpflanzen angebaut wurden. Als älteste bekannte Pflanzenfarbstoffe gelten Krapp und Indigo.

Krapp

In unserem Shop findest du übrigens viele Färberpflanzen und pflanzliche Farbpigmente, um selbst natürlich zu färben und deine eigenen Pflanzenfarben herzustellen.

 


DIE ENTDECKUNG SYNTHETISCHER FARBSTOFFE

Der erste synthetische Farbstoff Mauvein wurde 1856 von dem Briten William H. Perkin zufällig bei einem Experiment entdeckt. Kurz darauf gründete Perkin die erste Farbenfabrik, um den Farbstoff in großer Menge herzustellen. Dies revolutionierte sowohl Farbherstellung als auch Textilmanufaktur und legte zeitgleich den Grundstein für einen neuen Industriezweig, die chemische Industrie. (Quelle)


SYNTHETIK VS. NATURFARBEN HEUTE

In den darauffolgenden Jahrzehnten gewann die industrielle Herstellung synthetischer Farbstoffe an immer größerer Bedeutung, da diese sowohl kostengünstiger als auch schneller produziert werden konnten. Auch einst aus natürlichen Farbstoffen gewonnene Farben wie Indigo werden seither aus Kostengründen meist industriell hergestellt.

Traditionelle Farbherstellungs- und Färbetechniken verloren, in einer sich immer stärker industrialisierenden, globalisierenden und auf Massenkonsum ausgerichteten Welt, weiter an Bedeutung.

In Deutschland begann erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine Gruppe Student*innen nach alten Rezepten Wachse und Öle herzustellen, welche in Folge der damals aufkommenden allgemeinen Verunsicherung durch die bekanntgewordenen Schäden durch Holzschutzmittel, bald guten Absatz fanden.

„Von der Fachwelt wurden sie belächelt, ausgelacht, lächerlich gemacht. In dieser noch nicht lang zurückliegenden Zeit herrschte noch die unreflektierte Fortschrittsgläubigkeit, die erst in unseren Tagen leichte Risse aufweist.“ – Adolf Riedl, Gründer Sehestedter Naturfarben

 

Der Marktanteil der Naturfarben ist auch heute immer noch sehr gering. Der Rest wird von der chemischen Industrie abgedeckt. Dennoch hat dieser Naturfarben-Impuls in der ökologischen Bewegung einiges bewirkt und es entstanden in der Folge mehrere Firmen, welche auch heute noch nach traditionellen Rezepten Naturfarben produzieren.


AUSWIRKUNGEN SYNTHETISCHER FARBHERSTELLUNG AUF DIE UMWELT

Das wohl größte Problem der synthetischen Farbherstellung sind die enormen Auswirkungen auf die Umwelt.

1.    WASSERVERSCHWENDUNG

Bei der Herstellung synthetischer Farben werden große Mengen Wasser verwendet und verschwendet. In Anbetracht globaler Wasserknappheit ist allein dies sehr problematisch.

2.    WASSERVERSCHMUTZUNG

Ein großer Anteil der eingesetzten Chemikalien kann auch mit Hilfe entsprechender Kläranlagen nur bedingt oder gar nicht abgebaut werden. Ein großer Teil des eingesetzten Wassers endet als untrinkbare, giftige Abwasser-Mischung aus Schwermetallen, Lösemitteln und anderen schädlichen Stoffen.

3.    AUSWIRKUNGEN AUF ÖKOSYSTEME & PRODUZIERENDEN REGIONEN

Die Ableitung von giftigen Abwässern aus den Produktionen wirkt sich direkt auf die umliegenden Ökosysteme in der Region aus. Grundwasser und Flüsse werden verschmutzt und darin lebende Tiere und Pflanzen vergiftet. Auch Menschen, welche auf die Wasserquellen zum Waschen, Baden oder Trinken angewiesen sind, nehmen die Schadstoffe gezwungenermaßen ebenfalls auf.

4.    AUSWIRKUNGEN AUF DIE ARBEITER*INNEN IN DEN PRODUKTIONEN

Viele der eingesetzten Chemikalien sind ebenso schädlich für den Menschen, insbesondere, wenn sich diese im täglichen und direkten Kontakt mit den eingesetzten Stoffen befinden. So können z.B. Schwermetalle wie Quecksilber und Cadmium Krebs verursachen, Allergien auslösen und sogar das das Nerven- oder Immunsystem schädigen.

5.    AUSWIRKUNGEN AUF KONSUMENT*INNEN & REGULIERUNGEN

Der Einsatz bestimmter schädlicher Stoffe, unter anderem auch in Farben, ist in der EU seit 2002 durch die Chemiekalienverordnung REACH reguliert. Bereits vorher gab es Verbote, z.B. nachweislich als karzinogen eingestufter Stoffe.

Viele der bei uns nicht oder nur in begrenzten Mengen zur Farbproduktion erlaubten Chemikalien werden in produzierenden Ländern weiterhin regulär eingesetzt. Da der Import entsprechender Produkte aus anderen Ländern nicht durch bestehende EU-Regulierungen eingeschränkt wird, gelangen diese Stoffe dennoch über Umwege zu uns und in unsere Haushalte.

 


WORAUS BESTEHEN NATURFARBEN?

Wie unterscheidet sich eine Naturfarbe nun von einer ihr nachgebauten Chemiefarbe?

Grundsätzlich bestehen alle Farben, Kleber und Pflegemittel aus:

  • Bindemitteln (z.B. Leinöl oder Acrylat)
  • Füllstoffen und Wirkstoffen (Kreide oder Titandioxid)
  • Farb-Pigmenten (Erdfarben oder synth. Farben)
  • Lösemitteln (natürliches Terpentin aus Kiefern oder Orangen oder Terpentinersatz)
  • Hilfsstoffen wie Lösungsvermittlern, Konservierungs- und Trockenstoffen (Kasein oder synth. Emulgatoren)

Oft kann ein Rohstoff sowohl als Bindemittel als auch als Wirkstoff, Pigment usw. eingesetzt werden. Es kommt also darauf an, welche Stoffe verwendet werden und wie sie miteinander wirken.


ÖKOLOGISCHE ROHSTOFFE STATT SYNTHETIK

In Anbetracht ökologischer Krisen, verseuchter Gewässer, sich weiter verknappender Rohstoffe und den Auswirkungen auf die Gesundheit von Arbeiter*innen und Konsument*innen, sollten wir in Zukunft dringend wieder ökologischere Wege beschreiten, wo wir nur können. Denn die für die Herstellung synthetischer Farben benötigten Rohstoffe sind oft nicht nur umweltschädlich, sondern ebenso endlich.

Wichtigster Aspekt bei der Herstellung von Naturfarben ist es hingegen das ökologische Gleichgewicht nicht zu stören: Weder bei der Gewinnung der Rohstoffe, noch bei der Herstellung, dem Gebrauch des Produkts oder bei der Entsorgung soll die Umwelt belastet werden. Dies ist z.B. bei Leinöl der Fall, welches wir aus diesem Grund als Basis für sehr viele unserer Produkte verwenden.

Unter diesen Kriterien sind nachwachsende Ressourcen die umweltfreundlichsten Rohstoff-Quellen. Natürlich sollten auch beim Anbau der pflanzlichen Rohstoffe keine Pestizide eingesetzt und den Boden auslaugende Monokulturen vermieden werden, um Endprodukte zu erhalten, welche wirklich rundum umweltfreundlich sind.


NICHT NACHWACHSENDE ROHSTOFFE IN NATURFARBEN

Auch unter den Bestandteilen der Naturfarben gibt es nicht nachwachende Rohstoffe. Dazu zählen z.B.  Kreide, Gesteinsmehl, Talkum und Erdfarben-Pigmente. Im Gegensatz zu den in der heute konventionellen, synthetischen Farbherstellung eingesetzten Stoffe, greifen diese Natur-Rohstoffe jedoch nicht in das ökologische Gleichgewicht ein - nicht beim Abbau, nicht bei der Produktion, nicht beim Gebrauch und auch nicht bei der Entsorgung.


NATURFARBEN IN DER ANWENDUNG

Auch in der Anwendung verhalten sich Produkte von Naturfarben-Herstellern ganz anders. Es zeigt sich immer wieder, dass eine mit Naturölen gepflegte Holzfläche weiterhin „atmen“ kann, dampfdiffusionsfähig und sorptionsfähig bleibt, sich gut anfühlt. Eine Wand mit einer Kasein-Naturharzfarbe gestrichen verbessert das Raumklima. Ein Naturharz-Kleber gibt keine giftigen Gase ab. Und ein mit Bienenwachs gepflegter Fußboden reduziert die elektrostatische Aufladung und damit die Staubbildung im Wohnraum.

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